1.
Hab ich schon davon geschrieben, dass die Zeit immer schneller zu laufen scheint? Hab ich schon davon gesprochen, dass meine Tage mehr als voll sind, was nicht mit erfüllt gleich zu setzen ist? Hab ich mich schon dazu geäußert, dass mir meine Tage irgendwie davon zu laufen scheinen?
Ich erinnere mich, dass ich am vergangenen Wochenende meine Tagebucheinträge fortsetzen wollte, es gab das eine oder andere zu berichten. Das ist mittlerweile wieder 3 Tage her – und ich habe mir nicht einmal Notizen gemacht, was mir denn so wichtig war. Heute weiß ich nichts mehr davon oder muss erst nachdenken, um dann möglicherweise zu finden, was ich da vor einer halben Woche unbedingt aufschreiben wollte. War es denn dann wirklich so wichtig?
Ich versuche also, mich zu erinnern.
2.
Gerade habe ich den letzten Eintrag nochmals gelesen. Er stammt vom Dienstag der Vorwoche, das ist eine ganze Woche her. Ich schrieb davon, dass es sich so anfühlt, als bräuchte ich eine Auszeit. Tatsächlich bin ich dann drei Tage abgetaucht, also aus meinem Schreiben. Ich erkannte, dass mir der Winter und seine Dunkelheit die Freude an der Bewegung genommen hatte. Na ja, eher hatte ich sie mir nehmen lassen. Abgesehen von den regelmäßigen Einkaufstouren mit dem Fahrrad war Bewegung Mangelware. Das wollte ich ändern.
Mein erster Spaziergang in den naheliegenden Wald aber endete mit einer satten Enttäuschung. Ein mir aus der Vergangenheit in guter Erinnerung befindlicher Waldweg war nicht mehr da: der Wald weg gerodet, der Weg durch die Panzerketten der „Waldmaschine“ zerstört. Die Gegend gleicht nun einem Schlachtfeld. Da die entästeten und entrindeten Baumstämme, schön auf gleiche Länge geschnitten. Die Maschine macht das in einem Arbeitsgang. Dort die Reste am Boden verteilt, der durch das Gewicht des Gefährts völlig platt gemacht ist, also so verdichtet, dass Wasser nicht mehr abfließen kann, was die kleinen und großen Lacken, die sich gebildet hatten, eindrucksvoll belegten. Ich atmete schwer angesichts des Schmerzes, den die Natur einmal mehr durch uns Menschen erlitten hatte.
Gleichzeitig erinnerte ich mich an Erzählungen und Bilder von eben jenen Szenen, derer ich jetzt tatsächlich ansichtig wurde. Eine Tragödie. Die Worte fehlen. Die wahren Worte.
3.
Einigermaßen genesen, lauschte ich am Freitag der Regierungserklärung im Parlament. Danach sollte ich die Situation im Redaktionschat als Realsatire bezeichnen. Arme Kabarettisten, denen der Stoff ausgeht, weil ihn die Politiker schon vorweg gestohlen haben. Kein Wunder, dass das klassische Kabarett dem Aussterben geweiht ist und die Comedians die Herrschaft übernehmen. Was waren das für Zeiten, als Hans Peter Heinzl oder die Hektiker über all das herzogen, was man uns politisch zumutete. Auch einer der letzten Großen dieses Genres, Volker Pispers nämlich, hat sich schon vor Jahren zur Ruhe gesetzt. In seinem letzten Eintrag auf seiner Webseite, verbietet er sich, dass seine Kritik am System für die Kritik an den Corona-Maßnahmen missbraucht wird. Ich kann ihn verstehen. Nicht alles, was hinkt, ist ein Vergleich. Obwohl zahlreiche Maßnahmen deshalb so ausfielen, weil sie systemkonform waren. Eine Nähe dieser Kritik zu jener ist daher durchaus zu erkennen. Pispers hätte sie allerdings nicht so platt ausgedrückt wie so manch einer, der ihn in dieser Zeit vorgeschoben hat.
Erst am Samstag fand ich die richtigen Worte, um daraus eine re.action zu dem Schauspiel im Nationalrat zu machen. Auch meine Wochenschau ging diesmal – zum ersten Mal, seit es sie gibt nicht am Freitagabend sondern erst am Samstagnachmittag online. Mein schlechtes Gewissen hielt sich glücklicherweise in Grenzen.
4.
Neben Fußball und Lesen standen in diesen Tagen auch zwei Filme am Programm.
Freitagabend – wie üblich – Familienfernsehen. Da der ORF in den nächsten rund zehn Wochen wieder mal den Dancing Stars die Bühne im Hauptabendprogramm bietet, entfallen in dieser Zeit Comedy und Kabarett. Also schauten wir „Die Glücksritter“ mir Eddie Murphy, Dan Akroyd und Jamie Lee Curtis. Auch unser Sohn war begeistert, ich hatte den Film gar nicht mehr so witzig bzw. zeitgemäß in Erinnerung. Das Ende enttäuschte. Musste es wohl. Denn der American Dream durfte nicht angetastet werden, obwohl er so unrealistisch wie nur was ist. Und ist es wirklich erstrebenswert, den Rest seines Lebens mit einem an der Börse auf Kosten anderer verdienten Geld am Strand in der Gegenwart „schöner Frauen“ abzuhängen? Aber vielleicht bin ich nur neidisch …
Den zweiten Film an diesem Wochenende schaute ich allein. Der Tatort aus München wurde während eines großen NATO-Manövers gefilmt, er handelte von den für dieses Ereignis rekrutierten COBs, was in der Langform „civilists on battlefield“ bedeutet. Dafür gibt es sogar eigene Agenturen, von denen eben jene für diese Militärübungen vermittelt werden. Ist also sogar ein Geschäft. Bedrückend beeindruckend war die ganze Szenerie: vom us-amerikanischen Oberkommando, über Statisten, die ein bisschen mächtig sein oder einfach mal Krieg spielen wollen, bis hin zu sanfter Kritik am Militarismus oder einer Reminiszenz an den Jugoslawienkrieg in der 90ern des vorigen Jahrhunderts.
Literarisch bin ich derzeit weiterhin in den Steirerkrimis von Claudia Rossbacher gefangen. Da der nächste Band aber erst in 12 Wochen verfügbar sein wird, wie mir meine Online-Bibliothek mitteilte, muss ich Ersatz suchen. Gefunden habe ich schon mal etwas Leichteres, nämlich „Drei Männer im Schnee“ von Erich Kästner. Und auch etwas „Schweres“, das in wenigen Wochen zu haben sein wird: der erste Band der dritten Staffel der Millenium Trilogie. Ursprünglich von Stieg Larsson geschrieben, ist nur Karin Smirnoff am Wort. Im Zentrum stehen der Journalist Mikael Blomkvist und die Hackerin Lisa Salander.
5.
Auch der Song Contest rückt näher und mit ihm die nationalen Ausscheidungen. Für Österreich tritt ein Countertenor mit dem Künstlernamen JJ an, dessen Song in höchste Höhen führt, was viele fasziniert, mich aber nicht anspricht. Auch am Wettmarkt wird er neben Schweden und Israel derzeit als Favorit gehandelt. Die Finnen haben sich für Erika Vikman und ein Lied mit dem deutschen Titel „Ich komme“ entschieden, Schweden schickt eine finnische Band namens KAJ mit ihrer Ode an die Sauna ins Rennen. Der Favorit musste sich mit seiner Ballade dem leichten Spaßsong knapp geschlagen geben. Bis zum Tag X in zwei Monaten ist ja noch Zeit an der jeweiligen Perfomance zu basteln.
6.
Das normale Leben hat mich zwar wieder, aber es gibt noch so manches, was mich beschwert. Meine Lebendigkeit, meine Freude, mein Humor sind einer gewissen Trägheit und Müdigkeit gewichen. Ich weiß aber, dass ich mich davon nicht unterkriegen lassen darf. Als im chinesischen Sternzeichen des Pferdes Geborener ist hinlegen keine Option, außer man möchte das Leben beenden. Dafür ist es aber noch viel zu früh. Wichtig aber ist es, die Balance zu finden, zwischen dem, was mich belebt und jenem, was ich meine, tun zu müssen und mich in die gefährlichen Untiefen von Politik und Gesellschaft führt. Eine Übung, eine wahrhaft meisterliche Übung.
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